Handel kontert mit Service
Beitrag veröffentlicht am 23.01.2020
Passau. Eine sehr robust aufgestellte Wirtschaft, geringe Arbeitslosenzahlen mit annähernd Vollbeschäftigung, die Brexit‐Verschiebung bis in den Herbst – nach Ansicht des Handelsverbands Bayern (HBE) stehen die Zeichen gut für die Branche. „Wir hoffen, dass wir 2019 rund zwei Prozent Umsatzplus in Bayern erreichen‟, sagt HBE‐Pressesprecher Bernd Ohlmann, der allerdings zu bedenken gibt, dass die Gewinnmargen deutlich unter zehn Prozent liegen, gleichzeitig die Schere zwischen großen und kleinen Anbietern immer weiter auseinanderklafft. Die negativen Begleiterscheinungen liegen vor allem am Online‐Handel, der den stationären Händlern das Leben schwer macht.
Die Prognosen des HBE lesen sich auf den ersten Blick recht gut: Umsatz im höheren dreistelligen Millionen‐Euro‐Bereich im Einzelhandel in der Stadt Passau, etwa 410 Millionen Euro Umsatz im Raum Freyung‐Grafenau. Jeweils elf Prozent davon entfallen auf das Internet‐Geschäft, wie Ohlmann erklärt, nach dessen Worten eine gewisse Sättigung beim Online‐Handel feststellbar ist. „In diesem Bereich gibt es keine Wachstumsentwicklung‟, berichtet der Verbandssprecher. So gut wie kein Thema ist im world wide web der Verkauf beziehungsweise Kauf von Lebensmitteln, der bei einem Anteil von maximal einem Prozent dümpelt. Die Begründung dafür: die höheren Preise aufgrund des höheren Aufwands, die Kühlkette einzuhalten. „Wir Deutsche sind nun mal ein Volk der Schnäppchenjäger‟, fügt Ohlmann als Grund für die fehlende Bereitschaft an, dafür mehr zu bezahlen.
Doch im Branchen‐Mix macht sich die Online‐Konkurrenz durchaus bemerkbar. „Alle bayerischen Städte haben mit einem Frequenz‐Rückgang von bis zu zehn Prozent zu kämpfen. Das ist auch in München so‟, unterstreich der HBE‐Mann. Damit müsse man konkurrieren. Dennoch ist Ohlmann nicht generell bang um den stationären Einzelhandel in Bayern. Jedoch bedeute die Zukunft, Multi‐Channel ins Auge zu fassen und im Auge zu behalten. Der Verbandssprecher empfiehlt den Zusammenschluss von Geschäften in Netzen unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark‟. Ein Mittel, um die Aufmerksamkeit potentieller Kunden auf sich zu ziehen, sei die Schaffung einer sogenannten Präsenz‐Plattform, um einen Mehrwert zu bieten. „Das Zauberwort heißt: Shoppen als Erlebnis‟, gibt Ohlmann zu bedenken.
Ans Herz legt der Branchen‐Repräsentant den Geschäftsbetreibern unter anderem, Wohlfühlatmosphäre in ihren Läden zu schaffen – beispielsweise mit gemütlichen Sitzecken bei jahreszeitlich wechselnden Benefits wie Glühwein‐Duft und, ganz wichtig, freiem WLAN‐Zugang, damit der Kunde sich zwischendurch entspannt zurücklehnen und via Internet eventuell weitere Angebote auf der Homepage der gerade aufgesuchten Firma entdecken kann, ohne endlos in den Auslagen stöbern zu müssen. „Die drei Trümpfe für den Einzelhandel sind: Service, Beratung, Qualität‟, predigt Bernd Ohlmann. Dazu wichtig sei die Existenz einer eigenen Homepage, wie sie rund 80 Prozent der Betriebe bereits betreiben und mitunter ebenso zum Online‐Verkauf ihrer Waren nutzen.
Der eindringliche Appell des HBE an seine Mitglieder: „Ihr müsst eine Homepage haben, damit die Leute Euch auch finden.‟ Das gelte selbst für den kleinen Schreibwarenladen gleich um die Ecke. Die Homepage müsse die Visitenkarte eines Geschäfts sein und daher unbedingt professionell erstellt werden. Hinzukommt gutes Personal, wobei Ohlmann bedauert, dass viele Ausbildungsplätze in der Branche unbesetzt bleiben. Auch die Politik sei gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen für einen guten Branchenmix in den Städten und Gemeinden zu schaffen – beispielsweise bei der Infrastruktur mit Verkehrswegen und ausreichendem Parkplatzangebot. Denn, so der Verbandssprecher: „Der Autokunde ist der kaufkraftstärkste.‟ Einen signifikanten Rückgang bei den Einzelhändlern sieht Ohlmann nicht, allerdings nehme deren Zahl seit vielen Jahren kontinuierlich ab, was in erster Linie dem allgemeinen Strukturwandel geschuldet sei.
Apropos Kaufkraft: Laut Auskunft der Industrie‐ und Handelskammer Niederbayern besteht am Standort Passau eine absolute Kaufkraft von rund 1,21 Milliarden Euro. Pro Einwohner entspricht das 23.570 Euro, wovon auf den Einzelhandel 6981 Euro pro Kopf entfallen. Der Einzelhandelsumsatz je Einwohner wird auf 14.174 Euro beziffert. Die Verkaufsfläche beträgt insgesamt 248.350 Quadratmeter. Die Eigenbindung – das ist der Anteil Kaufkraft, der in einem Ort gehalten werden kann und dort ausgegeben wird – liegt bei 90 Prozent. Zehn Prozent müssen als Abflüsse verkraftet werden. Streuumsätze, also Umsätze aus unregelmäßigen Einkaufsfahrten, insbesondere durch Touristen und Geschäftsreisende, machen unter dem Einzelhandelsumsatz im stationären Handel am Einkaufsort des Konsumenten 25 Prozent aus.
Die aktuelle Kaufkraftstudie der IHK hat ergeben, dass die Stadt Passau mit 90 Prozent die höchste Eigenbindungsquote aufweist. Dahinter folgen die beiden Mittelzentren Pocking‐Ruhstorf mit 75 Prozent und Vilshofen mit 74 Prozent. Die Händler in der Stadt Passau erzielen Umsätze in Höhe von 699,9 Millionen Euro. Pocking liegt mit 149,8 Millionen Euro auf Platz zwei vor Vilshofen (136,7 Millionen Euro). Im Landkreis Passau werden 948,72 Millionen Euro umgesetzt. Wegscheid erzielt Höchstwerte bei der Flächenleistung (3317 Euro pro Quadratmeter). Bad Füssing (52 Prozent) und Bad Griesbach (49 Prozent) weisen hohe Streuumsätze auf. Diese Zahlen basieren auf der Kaufkraftstrom‐ und Einzelhandelsstrukturanalyse 2014/15 der IHK Niederbayern.
Spitzenreiter in der Sortimentsverteilung im Bereich der IHK Niederbayern, die den Bezirk Niederbayern mit Ausnahme des Landkreises Kelheim umfasst, sind Nahrungsmittel, gefolgt von Waren und Dienstleistungen im Gesundheitssektor sowie von baumarktspezifischen Produkten. Dahinter rangieren Möbel und Mode sowie Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und Schreibwaren.
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