Einkaufsstadt Deggendorf

Beitrag veröffentlicht am 06.12.2018

Deggendorf. Kundenfrequenzen nachspüren, Strategien gegen die Konkurrenz aus dem Internet entwickeln und die Interessen der 115 Mitglieder des Stadtmarketingvereins unter einen Hut bringen – das sind nur einige der Aufgaben von Wirtschaftsförderer Andreas Höhn und seinem Team. Wo er die Stärken der Einkaufsstadt Deggendorf sieht, was er verbessern möchte und wie er ständig dazulernt, erzählt er im Interview.

Wie steht die Einkaufsstadt Deggendorf derzeit da, woher kommen die Kunden, wo gibt es Handlungsbedarf?

Andreas Höhn: Wir merken ganz stark, dass Deggendorf immer noch für den vorderen Bayerischen Wald die Stadt zum Einkaufen ist. Das hat dazu geführt, dass wir im Umkreis Deggendorf ganz stark wieder als Einkaufsstadt positionieren. Irgendwann erkennst du: Mehr Kunden wirst du aus Deggendorf nicht generieren können. Dann gehst du hin und sagst: o. k., vielleicht können wir von außen vielleicht die Abschöpfung erhöhen. Also werden wir die Aufmerksamkeit erhöhen und werben: Deggendorf ist die Einkaufsstadt im vorderen Bayerischen Wald. Das ist nichts Neues, das ist wie bei BMW: Freude am Fahren – das machen die auch seit 40 Jahren.

Es gibt Stimmen, die sagen, in Deggendorf kann man nicht mehr einkaufen, seit C&A weg ist.

Andreas Höhn: Der Wegbruch von C&A hat uns brutal wehgetan. Wir haben damals versucht als Stadt, dass er hier bleibt, aber das war eine private Entscheidung. Es gibt in jeder Stadt so Magnetbetriebe wie Mediamarkt, C&A, das war früher auch der Hertie. Das Interessante ist ja, dass C&A weiterhin sagen, sie würden gerne wieder zurückkehren, weil Deggendorf einfach von der Kaufkraft und vom Einzugsgebiet ein sehr, sehr guter Standort ist.

Zu den Leerständen: Wir überprüfen monatlich die Leerstandsquoten, die halten sich noch im Rahmen. In der Innenstadt sind das ungefähr 26 bis 29 Geschäfte, die Leerstand aufweisen. Das ist auf die Gesamtzahl berechnet noch sehr, sehr gut. Nur, so die Brummer wie den Hertie haben die Leute wahrgenommen.

Für uns ist das total klasse, was jetzt da passiert. Weil wir davon ausgehen, wenn das Hertie‐Gebäude nächstes Jahr wieder funktionsfähig ist, wird das ein Wahnsinns‐Magnet. Zum einen verlagert Erl‐Bau die Firmenzentrale nach Deggendorf. Das sind weit über 100 Arbeitsplätze in der Innenstadt. Leute, die gastronomisch konsumieren, die sich aufhalten und einkaufen und zum anderen zwei Geschäfte, die neu hinzukommen. Wir werden auch nächstes Jahr wieder den Stadtstrand aufbauen, der ja auch als Magnet total gewirkt hat.

Und weiter?

Andreas Höhn: Was ein totaler Treiber ist bei uns, ist die Hochschule. Die hat das ganze Stadtbild verändert. Wir haben inzwischen 6999 Studenten. Die verändern die Stadt und machen es auch total interessant für Expansionsleute, weil du auf einmal Publikum bekommst, das bei H&M etc. einkauft.

Unsere größte Herausforderung oder Problemstellung ist: Wie erreichst du heute den Kunden? Wie kannst du ihm das kommunizieren? Wir sind regelmäßig an der Hochschule und halten da Vorlesungen und da fragen wir immer: Was kriegen Sie denn alles mit von unseren Veranstaltungen? Die Studenten bewegen sich zwischen Campus, Wohnheim, Nahversorger, Donau – in dem Karree. Und ähnlich ist es auch, dass wir am Kommunikationsgerät arbeiten, dass es für unsere Geschäfte ganz einfach wird, die Super‐Vielfalt auch nach außen zu bringen. Das Donaufest haben sie mitbekommen, die lange Kultur‐ und Einkaufsnacht ist nicht angekommen, obwohl wir es groß beworben haben, weil wir viele Heimfahrer haben.

Welche Möglichkeiten haben Sie da?

Andreas Höhn: Wir haben zum Beispiel jetzt etwas gebaut, das heißt „Deggendorf pulsiert‟,  und wir werben ganz stark, dass man bei uns super parken kann, das ist unser Standortvorteil.

Woher wissen Sie, welchen Erfolg ihre Marketingmaßnahmen haben?

Andreas Höhn: Wir haben ein paar Händler, die mit uns eng in Kontakt sind, die uns verschlüsselt ihre Umsätze geben. In der Bahnhofstraße sagt uns einer, am verkaufsoffenen Sonntag habe ich zwar weniger Umsatz, aber ich spüre, dass danach mehr Umsatz ist. Die Kunden machen Window‐Shopping, lassen sich beraten, und danach kommt der Einkauf. Oder wir fragen bei der ASG nach bei der Parkplatzauslastung. Wir befragen die Kunden. Wir wollen auch Frequenzmesser in der Innenstadt installieren, dass wir wissen, wo laufen die Leute lang. Und nach jeder Aktion machen wir ein Feedback an die Mitglieder: Wart ihr zufrieden, soll die Aktion wiederholt werden? Also, wir versuchen, es messbar zu machen. Das ist das Coole, weil du immer dazulernst.

Was tun Sie, um den Einkauf angenehm zu machen?

Andreas Höhn: Wir haben mit der ASG geredet. Das Tagesticket kostet jetzt vier Euro statt wie früher acht. Damit die Kunden entspannt einkaufen können, ohne auf die Uhr schauen zu müssen. Das habe ich in meiner Zeit als Geschäftsführer beim elypso gelernt, dass nicht nur die Zeit im Bad zum Eindruck zählt, sondern die Ankunft und die Abfahrt. Der Kunde muss überall überwiegend positive Eindrücke haben und darum müssen wir alles angucken.

Was können Sie tun, damit die Innenstadt attraktiv bleibt?

Andreas Höhn: Wenn in den 1‐A‐Lagen Oberer Stadtplatz und Luitpoldplatz die Mieten zu hoch werden, kannst du dir das als Inhaber nicht mehr leisten. Da kannst du nur Filialen haben, die nur als Ziel haben, mit der Marke vorne präsent sein zu wollen, und einen Großteil des Umsatzes im Internet zu machen. Aber die kleinen Geschäfte wie Tom’s Charivari, Feinkost auf Bayerisch, der Besitzer spricht mit mir, das ist etwas ganz was anderes. Dann gibt es unsere Kulturveranstaltungen. Dieses Jahr hatten wir mit TradiVari, was Sabine Saxinger gemacht hat, überhaupt Super‐Veranstaltungen. Und wenn eine Gasse in der Innenstadt etwas Spezielles macht, versuchen wir, das zu unterstützen.

Was tun Sie gegen die Konkurrenz auf der Grünen Wiese?

Andreas Höhn: Es gibt da zwei Theorieansätze: Es gibt die Innenstadt und die Graflinger Straße oder B‐Zentrum, wie wir sagen. Wenn hier Anker sind wie Ikea oder ein Baumarkt, dann besagt die Theorie, die ziehen die Leute von weiter her und danach fährt man weiter in die Innenstadt. Und dann gibt es die zweite Theorie, dass man sagt, nur gewisse Geschäfte dürfen hier raus, damit die Innenstadt gestärkt ist. Das verfolgen wir. Draußen hast du den periodischen Einkauf bei den Supermärkten, einmal die Woche, und es gilt, den Kundenstrom in die Innenstadt zu lenken. Aber diesen Balanceakt haben alle Städte.

Ist Deggendorf gegen die Internetkonkurrenz gut aufgestellt oder geht das noch besser?

Andreas Höhn: Es geht noch besser. Wenn wir es nicht kollektiv machen, also alle zusammen, dann wird’s schwierig. Wir haben die Plattform „Deggendorf pulsiert‟ oder wollen uns an anderen beteiligten wie der PNP‐Initiative „Alles regional‟. Wir haben im Moment 115 Unternehmen im Stadtmarketing, darunter sind die meisten Händler. Das gab es vorher noch nie. Im Moment stellen die Veranstaltungen rein auf „Deggendorf pulsiert‟. Der nächste Schritt müsste sein, dass dort neue Produkte oder Styles oder Farben drinstehen. Jeder zweite Online‐Einlauf mittlerweile passiert auf Amazon. Jetzt versuchen einige Städte, kleine Online‐Plattformen zu machen. Du musst das dann zu den gleichen Konditionen (Same‐Day‐Delivery oder am nächsten Tag) machen können oder den regionalen Einkauf in den Vordergrund stellen.

Und wie läuft's mit dem Stadtmarketing?

Andreas Höhn: Da habe ich auch dazugelernt. Die Einzelhändler haben sich mit uns zusammengesetzt und uns etwas gesagt, was wir vorher nicht gewusst haben: Sie haben acht wichtige Termine im Jahr, zum Beispiel den Winterschlussverkauf, die lange Einkaufsnacht, den Sommersale, die drei Samstage vor Weihnachten. Da wollen sie entsprechend werben. Und wir haben gesagt, wenn diese acht Punkte euch so wichtig sind, dann bilden wir das im Stadtmarketing entsprechend ab. Ein paar Punkte haben wir schon bedient, die drei Weihnachtssamstage in der Form noch nicht. Das machen wir heuer zum ersten Mal.

Wie sieht die Zukunft aus?

Andreas Höhn: Im Handel ist der größte Wandel durch die Digitalisierung. Und jede Stadt versucht, den ultimativen Weg zu finden, die Antwort. Bis jetzt hat niemand die Antwort gefunden. Für uns ist einfach wichtig: Die Innenstadt ist das Herz unserer Stadt. Da ist die Seele. Die Innenstadt muss lebendig sein, damit die Stadt lebendig ist. Für uns ist dieses Gleichgewicht wichtig, dass du eine aktive vitale Innestadt mit Kultur hast, gute Geschäfte, die vielleicht nicht immer in der Innenstadt sind. Gute Gastronomie. Und eben das, was Sabine Saxinger im Kulturbereich macht. Dass das am Ende wie aus einem Guss wirkt. Über die Kulturarbeit spiegelst du am Ende auch immer ein Stück die Identität. Heimat wird kommuniziert. Das versuchen wir wir, wo es geht, in den Handel mit einfließen zu lassen. Zum Beispiel, wenn Oliver Antretter zum Vdk‐Frühlingsfest einlädt, dann schreiben wir eine E‐Mail rum und sagen: Zieht doch am Freitag alle Tracht an.