Der SSV bleibt in Mode

Beitrag veröffentlicht am 04.07.2019

Beinahe auf den Tag genau 15 Jahre liegt es zurück, dass mit Inkrafttreten der Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zum 3. Juli 2004 das Ende der herkömmlichen Saisonschlussverkäufe besiegelt worden ist. Doch die allseits beliebten Sommer‐ und Winterschlussverkäufe – in Inseraten, in Schaufenstern und auf Werbebannern kurz nur als SSV oder WSV bezeichnet – sind nie so recht aus der Mode gekommen, wie Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern (HBE) bestätigt. „Der SSV bleibt die Mutter aller Schnäppchenjäger‟,  erklärt der Verbandssprecher.

Sommer, Sonne, Schweiß – diese drei Begriffe haben das Geschehen im Bayerischen Einzelhandel während der zurückliegenden Tage mit Rekord‐Temperaturen von weit über 30 Grad Celsius beherrscht. Ventilatoren, aber auch Planschbecken und Grill‐Utensilien samt delikaten Produkten für den Rost und selbstverständlich erfrischender Getränke gingen buchstäblich weg wie die warmen Semmeln. Die Anbieter der genannten Warengruppen und Branchen konnten sich über Absatzmangel wahrlich nicht beklagen. Das weiß Bernd Ohlmann aus entsprechenden Rückmeldungen der Verbandsmitglieder.

Jetzt laufen die Vorbereitungen für den Sommerschlussverkauf, der in aller Regel zwei Wochen dauert, aber auch in die Verlängerung gehen kann und darf. Der Startschuss fällt laut Auskunft des HBE wie immer am letzten Montag im Juli – diesmal ist es der 29. des Monats – zu den üblichen Öffnungszeiten der Läden.

Freilich habe der SSV nicht mehr die bekannte Wucht wie früher, räumt Ohlmann ein. Doch auch hierfür gelte das Sprichwort: „Totgesagte leben länger.‟ Manche erinnern sich noch an Bilder, die zeigten, wie gleich nach dem Aufschließen der Ladentüren wahre Menschentrauben die Schüttkörbe regelrecht stürmten und darin mit Feuereifer nach Preisknallern wühlten. Weil das ganze Jahr über regelmäßig Rabatte winken und „Sale"‐Fähnchen über der Ware im Wind flattern, gehören solche Szenen der Vergangenheit an.

"Der Schlussverkauf muss allerdings als End‐ und Höhepunkt der bereits Wochen vorher startenden Reduzierungsphase begriffen und gegenüber den Kunden kommuniziert werden‟, betont Bernd Ohlmann vom HBE, laut dessen Auskunft viele Schnäppchenjäger von früher an die SSV‐Termine gewöhnt sind. Ihm ist aus Erhebungen unter den Mitgliedsunternehmen bekannt, dass sich rund drei Viertel aller Händler heuer wieder am SSV kurz vor den Sommerferien im Freistaat beteiligen werden. Ziel dabei sei es nicht in erster Linie, möglichst viel Umsatz zu machen, sondern vielmehr Platz für die Herbst‐ und Winterware zu schaffen. „In Einzelfällen sind da schon mal Preisnachlässe bis zu 70 Prozent drin‟,  berichtet der Verbandssprecher, der für 2019 einen Mega‐Trend ins Licht rückt: „Raus in die Natur, ab ins Grüne."

Den Geschäftsleuten wünscht er zum SSV das passende Wetter – trocken und warm, aber nicht allzu heiß, um nicht dauernd in Konkurrenz zu den überfüllten Eisdielen, Biergärten und Freibädern treten zu müssen. „Bullenhitze stresst nur die Kunden‟,  moniert Ohlmann, der augenzwinkernd anmerkt: „Petrus kann’s uns nie rechtmachen.‟ Egal wie, Sommermode beispielsweise ist immer gefragt. Und wer rechtzeitig die Regale und Kleiderständer der Textil‐Anbieter sichtet, kann auch im Schlussverkauf erfahrungsgemäß im wahrsten Wortsinn aus dem Vollen schöpfen bei Markenware, Sommerbekleidung, luftig‐leichten Schuhen und Bade‐Artikeln. Der heiße Tipp des HBE‐Pressemanns: „Nicht zu lange warten, denn sonst kann es durchaus passieren, dass nicht mehr alles in der gewünschten Farbe oder Größe vorrätig ist."

Nach Informationen des HBE, der unternehmenspolitischen Interessenvertretung des bayerischen Einzelhandels, ist der Schnäppchentisch auch in diesem Jahr wieder reich gedeckt. So können sich Jung und Alt rechtzeitig vor Beginn der Hauptreisewelle im August und September nach Herzenslust zu teils drastisch reduzierten Preisen mit T‐Shirts und Shorts – um nur eine kleine Sparte zu nennen – eindecken.

Auch viele Bau‐ und Möbelmärkte, Sporthändler sowie Experten für Elektro‐Artikel und Unterhaltungselektronik machen erfahrungsgemäß beim SSV mit. Die 60000 Einzelhandelsunternehmen mit 330000 Beschäftigten erwirtschaften laut HBE jährlich einen Umsatz von rund 69 Milliarden Euro.

Historie des SSV

Ein Saisonschlussverkauf ist eine Sonderveranstaltung im Einzelhandel mit dem Ziel, durch Preisreduzierungen saisonspezifische Waren der ablaufenden Saison abzuverkaufen und so Platz für die Produkte der bevorstehenden Saison zu schaffen. Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 7. Juni 1909 wurden Saisonschlussverkäufe erstmals reglementiert. 1950 führte das Bundeswirtschaftsministerium die „Verordnung über Sommer und Winterschlussverkäufe‟ ein. Der Einzelhandel durfte zwei Saisonschlussverkäufe pro Jahr durchführen – den WSV in der letzten Januar‐Woche und den SSV in der letzten Juli‐ und der ersten August‐Woche.

Sie hatten eine Dauer von je zwölf Werktagen und waren beschränkt auf saisonabhängige Waren wie Textilien, Bekleidungsgegenstände, Schuhwaren, Lederwaren und Sportartikel. Zu den Textilien zählten dabei neben Bekleidung auch Möbelbezugsstoffe sowie Teppiche und Matratzen – aber nur, wenn sie überwiegend aus textilen Materialen gefertigt waren.

Koffer und Handtaschen durften nur in den Saisonschlussverkauf einbezogen werden, wenn sie aus Leder oder Textilien gefertigt waren, also zum Beispiel keine Hartschalenkoffer. Gänzlich unzulässig war die Einbeziehung anderer Sortimente und Warengruppen wie Glas, Porzellan und Keramik, Elektrogeräte (braune und weiße Ware),  Schreibwaren und Ähnliches. Seit der Reform des UWG 2004 können Saisonschlussverkäufe nach Belieben durchgeführt werden und sind nicht auf Saisonwaren beschränkt.